Mittwoch, 20. September 2017

Es fährt ein Bus nach Nirgendwo!

Am 30.06.2017 wurde im deutschen Bundestag endlich, nach Jahrzehnten der Diskussion und des Kampfes durch die LGBTI Szene, ein Gesetz erlassen welches eine Ehe zwischen zwei gleichgeschlechtlichen Partnern ermöglicht.

Jetzt mögen einige denken, wieso denn das? Die können doch schon lange heiraten.
Nein, eben nicht. Bisher konnte man sich eine Lebenspartnerschaft eintragen lassen. Mit den Rechten und Pflichten der herkömmlichen Hetero Ehe hatte dies jedoch nur sehr bedingt etwas zu tun.
Zum 1. Oktober wird sich das nun endlich ändern. Mit weitreichenden Folgen, welche zum Beispiel auch das Steuer- und Adoptionsrecht umfassen.

Ich kann ja durchaus damit leben, dass es Menschen gibt die LGBTI´s oder die sogenannte Ehe für Alle grundweg ab lehnen. So lange sie mich mit ihrem mittelalterlichem Weltbild in Ruhe lassen! 

Womit ich weniger gut leben kann ist, wenn religiös geprägte Menschen Bibelzitate mit den Texten des Grundgesetzes vermischen, und mit diesen ganz eigenen Interpretationen der Sachlage dann Stimmung gegen LGBTI´s und alle anders Denkende machen!
Oder wenn einige wenige Menschen, die ihren christlichen Glauben voll und ganz aus leben, anderen ihnen völlig fremden Menschen das Recht und die Freiheit ab sprechen ihr Leben nach ihren eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Aus dem einzigen Grund weil dieses Andere nicht in ihr beschränktes Weltbild passt.

Besonders verheerend wird es, wenn hochrangige Politiker diese Vermischung von Bibelzitaten und dem Grundgesetz dann im aktuell laufendem Wahlkampf wieder geben.
So äußerte sich kürzlich ausgerechnet eine Kölner Politikerin, sie habe im Bundestag zur Ehe für Alle mit Nein gestimmt, weil im Grundgesetz stünde eine Ehe dürfe nur zwischen Mann und Frau bestehen. Außerdem sei die Ehe für Alle nicht ausreichend definiert, denn Ehe für Alle würde ja bedeuten dass auch Geschwister nun heiraten dürfen.
(Ich war Angesichts dieser Aussagen so entsetzt, dass mir fast die Stricknadeln aus der Hand gefallen sind!)

Weder ist im Grundgesetz definiert, dass eine Ehe nur zwischen Mann und Frau bestehen dürfe, noch ist die sogenannte Ehe für Alle ein Gesetz welches Verbindungen zwischen Geschwistern ermöglichen würde!
Ehe für Alle ist vor allem ein Begriff der entstanden ist weil man Beschreibungen wie Homo Ehe vermeiden wollte. Genau genommen heißt es "Gesetz zur Einführung des Rechts auf Eheschließung für Personen gleichen Geschlechts".

Doch wer genug Geld zur Verfügung hat, gepaart mit einem fundmentalen Glauben, ist über sachliche Argumente eher selten zu erreichen. Und so wurde von einer kleinen AfD nahen Bewegung  eine Bustour durch zehn deutsche Großstädte geplant. "Demo für alle" wurde es genannt, und "Bus der Meinungsfreiheit" getauft.
Mit dem Ziel 220.000 Unterschriften zu sammeln, und letztendlich die Ehe für alle in letzter Minute zu kippen.

Familie soll bitte aus Mann + Frau = Kindern bestehen.
Kinder hätten ein Recht auf Vater und Mutter, und würden geschädigt wenn sie nicht in diesem traditionellem Familienbild auf wachsen würden. Ja, selbst Kinder von Alleinerziehenden wären bereits im Nachteil.
So ganz nebenbei kämpft diese Bewegung außerdem gegen jede sexuelle Aufklärung und entsprechendem Unterricht an Schulen. Mit dem Argument, man würde die Kinder Frühsexuallisieren und Verunsichern.
Sexuelle Vielfalt kommt im Weltbild dieser Bewegung nicht vor. Und jüngst präsentierte man sogar einen von Homosexualität "geheilten" jungen Mann.

(Ich möchte diesen Personen auf meinem Blog nicht wirklich eine Plattform bieten. Dennoch finde ich es wichtig, über das Thema und der "Demo für Alle" zu berichten.
Aber ich möchte mich auch nicht angreifbar machen, weshalb ich hier weder Namen nennen noch Verlinkungen setzen werde. Ich empfehle jedem Leser jedoch, einfach mal ein wenig zu googlen. Es gibt eine Homepage im Stil eines Weblogs, eine Facebook Seite, und natürlich werden auch Twitter und Co. genutzt.) 

Entlang der geplanten Bustour dieser Bewegung formierte sich schnell der queere Widerstand, und organisierte entsprechende Proteste und Gegendemonstationen.
Diese waren meist sehr bunt, und auch sehr laut. Sowie zahlenmäßig weit überlegen. 
Die Sprecher der "Demo für Alle" sahen sich daraufhin "Aggressionen und Hass" ausgesetzt. Man zog sogar Vergleiche mit der Reichskristallnacht und beanspruchte dabei für sich selbst die Opferrolle.

Der Bus der Meinungsfreiheit kam auch nach Köln.
Dort wollte man auf dem Bahnhofsvorplatz eine Kundgebung ab halten.


Wir waren dabei. Als Familie! Auf der Seite der Regenbogenfahnen!

Noch bevor der Bus der Meinungsfreiheit auf den Platz fahren konnte, stand die queere Szene zur Gegenwehr bereit. Ohne dass es Absprachen bedufte wurde der Bus mit bunten Fahnen und Tranparenten umziengelt, so dass der Bahnhofsvorplatz gar nicht erst befahren werden konnte.
Köln steht halt zusammen. Vor allem wenn es um die Rechte von Minderheiten geht oder es rassistisch wird. Das mussten in der Vergangeheit schon Pro Köln, Pro NRW und zuletzt die AfD fest stellen. 


Diese Blockade wurde mehrere Stunden erfolgreich aufrecht erhalten.
Außerdem verweigerten es die ansässigen Gastronomen am Bahnhofsvorplatz dem Bus für ihre Kundgebung eine Stromversorung zur Verfügung zu stellen. Was bei den Gegendemonstanten für lauten Jubel sorgte.

Die Gegenproteste waren vor allem eins:
Bunt, Kreativ, und Friedlich!


Zuweilen war der Gegenprotest auch ganz schön laut.
Aus einem "Haut ab" wurde ein "Eure Kinder werden so wie wir"!

Seitens der Bewegung wurde heftigst mit der Polizei diskutiert. Für mich sah es oftmals so aus, als verlange man von der Polizei den Gegenprotest auf zu lösen, was diese jedoch ab lehnte da es ein durchweg friedlicher Protest ohne jedes Gewaltpotential war.
Außerdem bestand man unbedingt darauf, die "angemeldete und genehmigte Kundgebung die hier blockiert würde" noch ab halten zu wollen. So dass nach einiger Zeit zwei Züge der Einsatzhundertschaft vor Ort ein trafen. Eine für mich völlig überzogene Polizeipräsenz!

Als sich unsere liebe Elfi Scho-Antwerpes von der Kölner SPD vor Ort ein Bild der Lage machte und mit Gegendemonstanten sprach, wurde sie verbal attakiert und  ihr vorgeworfen sich an der "Links-Bunten Blockade" zu beteiligen.
Außerdem wurde geäußert, "andere Meinungen als ihre Eignen" würde man in Köln wohl nur schwer ertragen, und sah sich Hass und Gewalt ausgesetzt. 


Es war erschreckend wenig bis gar keine Presse vor Ort!
Später wurden Pressemitteilungen der Polizei durch den Kölner Stadtanzeiger und dem Kölner Express verbreitet, nach denen es am Rande zu Rangeleien gekommen wäre und 150 Gegendemonstanten den Bus der Meinungsfreiheit blockiert hätten.

Aussagen, die für mich absolut nicht nachvollziehbar sind!
Es ist kein Geheimnis dass ich mich in Menschenmassen nicht sonderlich wohl fühle. Und nie hätte ich gelaubt, noch einmal auf eine Kundgebung oder ähnliches zu gehen. Aber zwischen diesem Haufen bunter LGBTI`s habe ich mich so sicher und wohl gefühlt wie nirgends sonst im öffenlichen Raum. Selbst um meinen Gatten mit seiner Behinderung habe ich mir zu keinem Zeitpunkt Sorgen machen müssen.

Auch weiß ich nicht wer die Gegendemonstranten wann gezählt haben möchte.
Es war Sonntag, bei allerbestem Wetter. Und der Bus war über Stunden komplett von einer dichten Menschenmenge umzingelt. Es waren sehr viel mehr als nur 150 Personen! Wenn ich schätzen müsste, käme ich locker auf 300 bis 400 Personen, oder sogar noch mehr. 

 

Unser queerer Teenager hat sich in "seiner Szene" natürlich pudelwohl gefühlt.
Es ist für mich jedes mal sehr bewegend wenn ich sehe, wie er stark und selbstbewusst mit seiner Regenbogenflagge durch die Öffentlichkeit läuft. Er alleine durch sein Outfit ein gut sichtbares Statement darstellt. Und sich so überhaupt nicht an den schrägen Blicken anderer stört.


Natürlich hat unser Teen auch bekannte Gesichter aus seinem queerem Jugendtreff, dem anyway Köln getroffen. So war beispielsweise anyway TV vor Ort, um mit den Demonstranten zu sprechen. Unter anderem wurde der Organisator der Gegendemo kurz interviewt.

Mein Teen hat in den Ferien selbst schon bei einigen Medienprojekten mit gewirkt, und war auch dieses mal hautnah dabei. Wenn ich folgende Bilder sehe weiß ich ganz genau wohin dieses Interesse führen wird. Und es erfüllt mich mit Stolz, einen solch selbstbewussten wie engagierten Teenager zu haben!


Durch ein geschicktes Manöver der Polizei wurde es dem Bus der Demo für Alle schließlich, mit über drei Stunden Verzögerung,  doch noch ermöglicht auf den Bahnhofsvorplatz zu gelangen, und dort so etwas wie eine Kundgebung ab zu halten. Gut geschützt durch die massive Polizei Präsenz.


Die Gegendemonstranten nutzen die örtlichen Gegebenheiten wie die aufsteigende Domtreppe, um sich dort zu formieren und einen Ohren betäubenden Lärm zu veranstalten.


Und wo waren meine Männer zu finden?
An vorderster Front im Gegenprotest. Trillerpfeifen blasend.


Ich liebe ihn!
Nicht nur weil er unseren queeren Teen einfach so akzeptiert wie er ist, und sich sogar mit ihm in der Öffentlichkeit zeigt. Sondern auch dafür, dass er ohne Rücksicht auf seine eigene Behinderung stundenlang auf der Straße steht und zusammen mit fremden Menschen für deren Rechte und Akzeptanz kämpft!


Während unten am Bus ein paar wenige Anhänger versuchten mit ihren begrenzten Mitteln (und ohne Stromversorung für die mitgebrachten Lautsprecher) ihre Kundgebung ab zu halten, sorgten die Gegendemonstranten dafür dass selbst in der ersten Reihe kaum ein Wort wirklich zu verstehen war.

Seitens der Demo für alle war später zu vernehmen man wäre mit Hass und Gewalt nieder gebrüllt worden. Außerdem wurde der Polizei noch Beteiligung am Kölner Küngel vorgeworfen!


Etwas erhöht von der Domplatte aus betrachtet sah die Situation so aus.
Von hier aus konnte ich auch eine ältere Dame erblicken, welche konstant einen Rosenkranz herunter betete und dabei furchteinflößend auf die bunte LGBTI Szene blickte. Ein eindrucksvolles Bild davon, welche Gesinnung hinter der "Demo für Alle" wirklich steht!


Hier oben bin ich auch mit dem ein und anderem unbeteiligtem Passanten ins Gespräch gekommen.
Fast alle zufälligen Zeugen haben sich gefragt: "Was ist denn das für ein Bus?"
Andere haben widerum gerätzelt warum die Kölner Schwulen etwas gegen Meinungsfreiheit haben.

Haben sie von mir oder anderen Leuten dann über die Hintergründe des Protestes erfahren, war oftmals zu hören "man solle die Schwulen und Lesben doch endlich mal in Ruhe lassen". Eine Meinung der ich mich nur zu gerne an schließe.



Erwähenswert ist auch, dass sich die Organisatoren dieser Bewegung gerne und schnell beleidigt fühlen wenn man ihnen AfD Nähe vor wirft, man aber andererseits keinerlei Probleme damit hat hochrangige AfD Politiker am Bus zu empfangen und sogar sprechen zu lassen.

Ich hoffe wirklich sehr, dass die Damen und Herren mit ihrem Bus und ihrer Unterschriften Aktion sang- wie klanglos untergehen. Sollten sie sich noch einmal in unser buntes und tolerantes Köln wagen, werden wir als Familie mit Sicherheit wieder im Gegenprotest stehen!






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