Was würdest Du tun, wenn dein Sohn irgendwann mit einem Freund nach Hause kommt?
Nunja, ich denke ich würde Kuchen machen! Und vielleicht nen Kaffee.
Was sollte man tun, wenn der Sohn einem gesteht, dass er schwul ist?
Oder die Tochter, dass sie lesbisch ist?
Auf jeden Fall erst mal in den Arm nehmen!
Denn solch ein Outing kostet ganz unglaublich viel Mut.
Und zeigt doch gleichzeitig, dass das Kind auch als Teenager den Eltern immer noch uneingeschränktes Vertrauen entgegen bringt.
Und dann?
Dann beginnt eine Reise bei der sich Eltern und Teenager neu kennen lernen werden.
Das Outing verändert alles. Und gleichzeitig auch nichts.
Vielleicht erklärt sich plötzlich das ein oder andere Verhalten des Teenagers, welches zuvor zwar aufgefallen sein mag aber nie so richtig erklärbar war.
Mitunter müssen die Eltern über ihren Schatten springen, sich von Wunschvorstellungen lösen, oder Vorurteile beiseite schieben.
Doch der Teenager ist und bleibt immer noch das gleiche Kind, welches man so viele Jahre lang behütet und beschützt hat!
Die Zeit nach dem Outing ist eine sehr sensible Phase. Für beide Seiten.
Wir als Eltern haben es in der Hand ob aus unserem Teenager eine starke und selbstbewusste Persönlichkeit werden kann. Und gleichzeitig die Macht, unserem Kind das Leben für immer sehr schwer zu machen.
Sexuelle Identität ist immens wichtig für unsere Teenager. Zumindest dann, wenn sie aus der Reihe tanzen. Akzeptieren wir als Eltern ihre Andersartigkeit, fällt es auch unseren Teenagern leicht sich selbst zu akzeptieren.
Geben wir ihnen ein Nest, in dass sie jederzeit zurück kehren können, geben wir ihnen die nötige Sicherheit um mit jedem Problem im Leben fertig werden zu können!
WIE DAS BEI UNS WAR?
Obwohl ich reichlich Umgang mit schwulen Männern habe, war ich nicht in der Lage zu sehen was ich direkt vor meiner Nase hatte! Erst ein liebevoller Hinweis aus meinem schwulen Freundeskreis öffnete mir die Augen. "Hey, also, Du hast es wahrscheinlich nicht gemerkt, aber rede bei Gelegenheit mal mit deinem Teenager. Und bereite bitte deinen Mann vor."
Bis heute bin ich unglaublich dankbar für diesen Hinweis!
Der Teen war damals in einer Phase wo er sehr schnell gereizt bis dezent aggressiv war, aber gleichzeitig bei uns als Eltern unglaublich viel Schutz und Rückhalt suchte. Nachdem seine Sexualität innerhalb der Familie einmal an- und ausgesprochen war, wurde vieles leichter.
In den kommenden Wochen haben wir unseren Teen liebevoll bei seiner Selbstfindung begleitet. Haben immer wieder signalisiert: Egal welches Problem Du hast, egal welche Fragen Du hast, rede mit uns.
Und wir haben sein Geheimnis gehütet. Außerhalb der Familie wusste in den ersten Monaten niemand etwas. Wir haben gewartet bis unser Teen genug Selbstakzeptanz entwickelt hatte dies selbst zu entscheiden.
Als nächsten Schritt haben wir unserem Teen die Möglichkeit gegeben in einem LGBTI Jugendtreff andere queere Jugendliche kennen zu lernen. Zu merken dass er nicht alleine ist, dass es noch viele andere wie ihn gibt, und dass das alles ganz normal ist hat unserem Teen sichtlich gut getan. Auch seinen ersten Freund hat er dort kennen gelernt.
Leider hat unser Teen auch begonnen extrem in der Schule zu leiden. Das Umfeld dort war Homophob bis Asozial. Die Lehrer waren zwar bemüht, aber leider doch Machtlos. Zuletzt ging der Teen mit der Angst zur Schule, jemand könnte sein Geheimnis entdecken.
Uns war schnell klar, da hilft nur ein Schulwechsel! Am besten über die Stadtgrenze hinaus. Alles auf Anfang. Und Neustart bitte! Wir hatten Glück. Der Teen besucht jetzt eine Schule an der großen Wert auf Toleranz, Respekt und Vielfalt gelegt wird.
Inzwischen fühlt er sich dort so dermaßen wohl, dass er komplett geoutet ist. Bis auf eine einzige Ausnahme wird er von allen akzeptiert und auch respektiert.
Im Laufe der Monate hat sich das Wesen unseres Teens sehr gewandelt.
Er ist unglaublich stark und selbstbewusst geworden. Keine Spur mehr von Angst, oder diesem erzwungenem Macho Gehabe von früher. Statt dessen ist er jetzt oftmals sehr fürsorglich und liebevoll. Er übernimmt gerne Verantwortung für andere. Packt im Haushalt mit an, und möchte bei mir Kochen lernen.
Einen queeren Teenager zu haben, kann ich jeder Familie nur wärmstens empfehlen!
Und was macht unser Umfeld so?
Unser Großvater hat sich definitiv den Titel "Opa des Jahres" verdient! Trotz seiner alten Tage hat er keinerlei Probleme, und geht sogar zusammen mit Teen plus Freund hier vor Ort in die Eisdiele. Ganz offen auf der Außenterrasse!
Und die Nachbarschaft? Die darf seit einigen Wochen über die deutlich sichtbaren Regenbogenflaggen im Fenster tuscheln. Was sie davon halten weiß ich allerdings nicht. Bisher hat sich niemand getraut uns darauf an zu sprechen.
Was ich unbedingt noch sagen möchte:
Egal was eure Teenager auch sind, ob hetero- homo- oder vielleicht sogar transsexuell; ob lesbisch, schwul, Bi- oder gar Intersexuell..... es liegt nicht an euch Eltern!
Niemand hat irgendetwas falsch gemacht. Und es ist auch keine Frage der Erziehung. Eure Teenager wurden so geboren. Es schlummert schon viele Jahre in ihnen.
Akzeptiert sie, wie sie sind. Und liebt sie, wie zuvor. Es sind ganz wundervolle und einzigartige Menschen, wenn ihr ihnen nur die Möglichkeit gebt so zu sein wie sie eben sind!
Sonntag, 18. Juni 2017
8 Kommentare:
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Wunderbar geschrieben und wie ich weiss auch genauso wunderbar gelebt!
AntwortenLöschenEin toller Post!
AntwortenLöschenDanke für das Teilen Deiner Gedanken!
Vielen lieben Dank, tolle Eltern, tolle Menschen. Sollte genauso selbstverständlich sein!
AntwortenLöschenVielen lieben Dank dafür. Tolle Eltern, tolle Menschen. Sollte genau so selbstverständlich überall sein.
AntwortenLöscheneinfach nur schön...großes Kino wenn es so läuft!!! Meine Hochachtung und meinen allergrößten Respekt an alle Beteiligten, bei mir war es auch die Oma die am coolsten damit umgegangen ist...sie sagte damals immer zu mir....komm erst mal bei Dir an...es hat gesauert bis ich es begriffen habe ;-)
AntwortenLöschenGenau so sollte sein! Nina und ich gehen hier öfter zum queer-Café (was ja für unser Städtchen echt schon ne Errungenschaft ist), dort sind unglaublich viele Jugendliche, die froh sind, wenigstens DORT mal "sie selbst" sein zu können. Viele trauen sich nicht, es den Eltern zu sagen und das finde ich unglaublich traurig.
AntwortenLöschenUnd genau das ist für uns auch der Grund, weshalb wir Öffentlichkeitsarbeit machen. Dabei ist es völlig egal, dass wir ne "Regenbogenfamilie mit Trans*-Hintergrund" sind, die Probleme sind ja leider ähnlich gelagert.
Ich wünsche eurem Teenager sehr, dass sich die negativen Erlebnisse nicht wiederholen und er mit sich im Reinen sein Leben meistern kann.
Rainbow up your life ;-)
Liebe Grüße
Jane
Ich finde deinen Text sehr beeindruckend und habe selbst oft schon darüber nachgedacht. Alles Gute für den Teen
AntwortenLöschenLiebe Fitz und Fussel
LöschenJetzt, nachdem ein Jahr vergangen ist, kann ich Dir sagen:
Ein Eltern-Outing macht das Leben nicht unbedingt leichter, aber auf jeden Fall sehr viel freier!
Man muss sich nicht mehr ständig auf die Lippen beißen. Und kann öffentlich alles gut finden und supporten, wo man sich früher zurück gehalten hätte.
Vor allem aber kommt es deinem Teen zugute, wenn er/sie weiß dass Du öffentlich hinter ihm/ihr stehst. Unser Teen ist unglaublich stark und selbstbewusst geworden, und das steht ihm verdammt gut!
Liebe Grüße