Über den queeren Teenager habe ich schon lange nicht mehr berichtet, dabei ist in den letzten Monaten so vieles passiert dass ich auch locker ein kleines Buch damit füllen könnte.
Er ist zu einer wirklich bewundernswerten Persönlichkeit heran gewachsen, und ein glänzendes Beispiel dafür was aus einem Kind alles werden kann wenn wir Eltern es einfach sein lassen wer und was es ist.
Nach der großen Wiedereröffnung des ⇨ Anyway Köln im Sommer, arbeitet der Teenager mit viel Freude als Ehrenamtler im Thekenteam und beim ⇨ anyway.tv mit. Es gibt kaum eine Aktion im Anyway, an der er nicht irgendwie beteiligt ist. Manchmal nur im Hintergrund, oftmals aber auch frontal vor der Kamera. Und so schmückt sein Konterfei inzwischen die neu gestalteten Flyer des Anyway.
Auf der ersten Karte sitzt er nur im Hintergrund. Auf der zweiten Karte zeigt er sich stolz mit seinem Boyfriend.
Im Herbst absolvierte der Teenager sein erstes Schülerpraktikum.
Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch daran, dass wir dafür im Frühjahr relativ viel Aufwand betrieben haben und der Teenager letztlich sehr frühzeitig sein absolutes Wunschpratikum ergattern konnte.
Nach drei Wochen "Jobben" in der Krankenpflege hat der Teenager eine Spitzenbeurteilung, und die Zusage sich bewerben zu dürfen erhalten. Er hat vor allem durch seine Weitsicht, seine geistige Reife, seine guten Umgangsformen, und sein selbständiges Arbeiten bleibenden Eindruck hinterlassen.
Die Kollegen seiner Station haben dann zum Abschied auch ein fettes Taschengeld springen lassen, und total witzig in einer dicken Spritze verpackt.
Am liebsten hätte der Teenager ja sofort nach dem Praktikum mit einer Ausbildung begonnen. Leider muss er vorher noch seinen Schulabschluß machen. Aber er ist nun so was von motiviert, dass es in der Schule fast von selbst läuft und er regelrecht Spitzenleistungen erbringt.
Natürlich sind wir als Eltern damit mehr als nur zufrieden. Alles richtig gemacht, würde ich mal sagen. Und all der Aufwand im Frühjahr hat sich mehr als gelohnt!
Ebenfalls im Herbst feierte der Teenager seinen 16. Geburtstag!
So mach einer mag es vielleicht kaum glauben, dass er wirklich ERST 16 ist, denn jeder der länger als fünf Minuten mit dem Teenager spricht wird davon überzeugt sein dass er mindestens volljährig sei.
Aufgrund seiner sehr vielfältigen Lebenserfahrungen ist der Teenager leider sehr frühzeitig erwachsen geworden. Leider, wie ich immer wieder betonen muss. Ich hätte ihm gerne mehr unbeschwerte Kindheit und Jugendjahre gegönnt, aber leider hat man da selbst als Eltern nur bedingt Einfluss drauf.
Der Geburtstag fiel auf einen Freitag. Und Freitag ist Anyway Tag!
So wurde also der Geburtstag ins Anyway verlegt.
Nachdem der Teenager seine letzten Geburstage leider recht einsam verbracht hat, war es eine wahre Wohltat zu sehen wie viele Freunde der Teenager inzwischen im Anyway gefunden hat. Er wurde mit Geschenken und Karten überhäuft, zigfach umarmt, und es wurde viel gelacht.
Mein persönlicher Knüller des Abends war, als der Teenager gefragt wurde "ob der die Frau da hinten" kennen würde, und er sehr schlagkräftig antworte "Wenn Du meine Mutter meinst, ja, die kenne ich"! Allerdings haben wir "Alten" uns auch relativ früh zurück gezogen, und dem Jungvolk ihren Treff zum ungestörtem Feiern überlassen.
Zur Freude aller Queers habe ich nicht nur einen Kuchen, sondern auch ganz besondere Kekse gebacken.
Die Kekse haben bereits zu Hause für viele Lacher und flotte Sprüche gesorgt.
So vielen Sätze wie "Mist, ich hab nen Penis vergeigt!"
Oder "So viele Schwänze auf einmal werde ich nie wieder in der Hand haben."
Besonders lustig war auch, als der kleine Teenie sehr spontan Besuch von einem Freund bekam der noch nicht einmal in der Pubertät ist und in der Küche überall Backbleche mit bunten Peniskeksen verteilt waren.
Natürlich hatten auch die Queers sehr viel Freunde an diesem Gebäck. Es wird bis heute darüber gescherzt und gelacht! Und ich fürchte ich habe mich damit ein klein wenig legendär gemacht.
Bereits im Sommer hat der Teenager sich in einer Kampange der Stadt Köln zum Thema Vielfalt und Toleranz engagiert. Dazu wurden Menschen aller Altersgruppen, mit und ohne Behinderung, Kölner und Menschen mit Migrationshintergrund, religiöser Gemeinschaften, und eben auch LGBTIs und Queers gesucht. Kurz: Aller Menschengruppen die unsere Stadt so vielfältig und lebenswert machen!
Die Protagonisten sollten sich außerdem mit dem Konzept und der Aussage der Kampange identifizieren können.
Der Teenager wurde zusammen mit dem Boyfriend und noch einem weiteren Besucher vom Anyway Köln für diese Kampange vorgeschlagen. Dafür ging es zunächst in ein professionelles Studio. Später wurden die Bilder dann digital verarbeitet und vervollständigt.
Insgesamt sind so fünf unterschiedliche Plakate entstanden, welche unter dem Motto ⇨ Unsere Vielfalt. Kölns Stärke! jeweils für eine Woche im November 2018 und Januar 2019 quer durch die ganze Stadt zu sehen waren, und zusätzlich im Internet unter dem Hashtag ⇨ #kölnervielfalt promoted wurden. Ein weiterer Artikel zur Kampange findet sich auch bei ⇨ queer.de.
Ich kann euch sagen, wenn man als Mutter vor einem solchen Plakat steht, und sein Kind nebst Boyfriend (welcher inzwischen auch wie ein Kind für mich ist) sieht, dann wird man von seinen Gefühlen schier überwältigt.
So unglaublich vieles ging in diesem Moment in mir vor. Zuerst kann man es gar nicht fassen, dass dieses Plakat tatsächlich in der ganzen Stadt hängt. Man ist ein bißchen sprachlos. Dann wird es plötzlich ganz warm ums Herz.
STOLZ beschreibt nicht annähernd das, was ich in jenem Moment empfunden habe.
Ich habe vor diesem Plakat gestanden und einfach nur geheult, weil es mich so überwältigt hat!
Noch so Jung.
Und doch schon so Selbstbewusst.
So Präsent. Vor allem aber Sichtbar!
Im Herbst hat die Stadt Köln die Ergebnisse ihrer ⇨ Jugendbefragung 2018 vorgestellt.
Obwohl das Anyway nach Kräften die eigene Jugend mobilisiert hatte an der Umfrage teil zu nehmen, musste man mit Erstaunen feststellen dass queere Themen in den Ergebnissen so gut wie nicht aufgelistet waren. Es stellte sich heraus, dass man bei der Auswertung die Themen nach Prozentueller Nennung sortiert hatte. Den Teenager hat das furchtbar aufgebracht. Und so konnte er auch bei der öffentlichen Präsentation der Ergebnisse nicht einfach still bleiben. Sehr direkt hat er die Verantwortlichen der Stadt Köln damit konfrontiert, dass Minderheiten automatisch diskriminert würden, wenn man ihre Anliegen aufgrund der geringen Nennung von vornherein aus den Statistiken streichen würde.
Auch in der Schule ist der Teenager vielfältig engagiert.
Im Sommer hat er sein Sporthelfer Abzeichen gemacht, er arbeitet Ehrenamtlich in der Schülerbücherrei, und ist außerdem noch ausgebildeter Ersthelfer.
Das alles konnte leider nicht verhindern, dass irgendein "Spaßvogel" sich dazu herabgelassen hat im Herbst eine kleine Cybermobbing Attacke via Instagram zu starten.
Ich muss sagen, dass die Schule wirklich vorbildlich reagiert hat.
Es wurden umgehend Konferenzen einberufen, der Teenager wurde kurzfristig freigestellt um ihn aus der Schussbahn zu bringen, die Lehrer haben sich bei der Polizei informiert und außerdem versucht anhand der Orthografie und vorhandener Rechtschreibfehler heraus zu finden wer hinter dem Fake Account stecken könnte.
Letztlich ließ es sich auf drei Klassen, inklusive der eigenen des Teenagers, eingrenzen. Leider aber nicht auf einen einzelnen Schüler. Deshalb haben gleich alle drei Klassen durch ihre Klassenlehrer sehr deutliche Ansprachen erhalten.
Wohl auch durch das schnelle und konsequente Reagieren durch die Schule ist danach zum Glück Ruhe eingekehrt. Wir sind der Schule wirklich mehr als Dankbar für das schnelle Handeln!
Aber auch wenn dieses Ereignis für uns recht glimpflich abgelaufen ist, es hinterlässt natürlich Spuren in der Seele. Der Teenager hat seine Eindrücke aus dieser Zeit zu einem sehr persönlichen Poetry Slam Text verarbeitet, welchen er bereits bei diversen Veranstaltungen im Anyway Köln vorgetragen hat.
"Schwuchtel Schwanzlutscher. Arschficker.
Was müsste ich mir nicht schon alles anhören
Nur weil ich der bin der ich nun Mal bin?
Der schwule der Schule?
Abneigung und hasserfüllte Blicke
Weil sie denken dass ich sie ficke?
Was ist das nur für eine Welt?
Wo man darauf achten muss wie man sich verhält.
Weil man Angst hat Schwul zu sein.
Wieso ?
NEIN!
SO KANN ES NICHT WEITER GEHEN!
Ich will das nicht sehen.
Und doch ist die Welt so.
Aber ich stehe auf
Um zu kämpfen
Die Kirche sagt wer schwul ist, kommt in die Hölle.
Aber schwul sein ist nicht schlimm.
Meine Klasse ist sagt ich sei eklig, nicht normal.
Aber Schwul sein ist nicht „Unnormal"
Schwul sein ist bunt wie der Regenbogen!
Ich bin der *Teenager* und stehe dazu
Denn
Ich bin Schwul!"
Außerdem hat er in der Schule nun einen LGBTI Treff gegründet.
Seine Lehrer und auch die Schülervertretung haben dies von Beginn an unterstützt!
Es wurden ein Raum zur Verfügung gestellt, die Lehrer haben ein wachsames Auge darauf dass die Jugendlichen den Treff ohne Angst aufsuchen können, und diverse Aktionen innerhalb der Schule sind auch bereits in Planung. Außerdem wird überlegt, ob man am CSD Köln mit einer eigenen Fußgruppe starten möchte.
Dem Teenager ist es wichtig dass niemand diskriminiert wird, und betont deshalb immer wieder dass sein Treff auch für Heteros oder Friends von LGBTIs offen ist.
Soweit wir wissen hat unser Teenager auch den Titel des einzigen von einem Schüler gegründetem LGBTI Treffs an einer Schule inne. Zwar gibt es inzwischen an einigen Schulen solche Treffs, diese wurden aber zumeist ausschließlich von Lehrern ins Leben gerufen.
Natürlich sorgt der Teenager mit seinem Auftreten und seiner Präsenz für eine Menge Aufmerksamkeit.
Er wird wahr genommen. Und das von Jugendlichen wie Erwachsenen gleichermaßen.
Nicht nur als der Schwule, der Queere, oder der der ein bißchen verrückt ist.
Sondern auch als Persönlichkeit, als Kämpfer, als Aktivist.
Wenn er spricht kehrt Ruhe ein, und ihm wird Gehör geschenkt.
Wenn er diskutiert, dann immer mit guten Argumenten und inhaltlicher Tiefe.
Außerdem ist der Teenager sehr schlagfertig.
So beschreibt er seine Motivation nach dem Cybermobbing den LGBTI Treff zu gründen so: "Die wollten mich ficken? ICH. FICKE. DIE!"
Und wenn ihn in der Schule versucht jemand zu dissen, indem ihm ein "Fick Dich Du schwule Sau" an den Kopf geworfen wird, so antwortet er total cool und gelassen mit "Ficken ist leider kein Einzelsport, also komm mal her".
Wenn er bei öffentlichen Auftritten, zumeist unter LGBTIs wie hier beim Thema "Mobbing in der Schule", davon berichtet hat er die Lacher natürlich auf seiner Seite. Denn hier weiß fast jeder ganz genau wie sich solche Situationen an fühlen.
Ich bin wirklich sehr gespannt, wie der Teenager sich weiterhin entwickeln wird. Wo er sich noch überall engagieren wird. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er einst in Köln noch so manches bewegen wird.
Und der kleine Teenie?
Der ist jetzt dreizehn, und hat gerade erst begonnen sich auf die lange Reise der Pubertät zu machen. Wohin sein Weg ihn einst führen wird, wissen wir noch nicht. Er selbst am allerwenigsten. Aber eins können wir mit Gewissheit sagen: Egal wohin die Reise auch für ihn gehen wird, er hat die Gewissheit dass wir ihn nie weniger lieb haben und auch ihm immer den Rücken frei halten werden!
Freitag, 15. März 2019
1 Kommentar:
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Dein Teenager ist mutig, das habt ihr als Eltern ihm mit auf den Weg gegeben. Das ist die beste Aussteuer!
AntwortenLöschenIch wünsche ihm alles gute, für jeden Tag, er wird seinen Weg machen. Und das ist gut so, dass sein Weg nicht so ganz gewöhnlich wird :)
Das Plakat sieht echt super aus, ich kann deinen Mutterstolz und paar Tränchen nachvollziehen.