Warum biete ich solche Shootings nicht an?
Immerhin habe ich mich erst neulich als Event Fotografin für das Wollfestival engagieren lassen, und im Zuge dessen auch ganz viele Menschen vor der Kamera gehabt.
Die Antwort auf diese Frage ist ebenso banal, wie sie scheinbar für viele Menschen völlig unverständlich ist: Weil ich das einfach nicht gut genug kann!
Ein guter Fotograf zeichnet sich meiner Meinung nach nicht nur durch seine schönen Bilder aus, sondern auch durch ein Bewusstsein dafür wo seine Stärken und Schwächen liegen.
Ich z.B. kann unglaublich gut Augenblicke fest halten. Sei es bei Aktivitäten mit meiner Familie, bei Wanderungen durch Stadt oder Landschaft, einem Sonnenuntergang am Strand von Zeeland, oder eben auch bei wolligen Veranstaltungen.
Nicht ohne Grund habe ich diesen Blog einst "Augenblick mal ..." genannt, und nicht etwa Frau Photoauge bloggt, oder Frau Photoauge strickt. Und auch der Name Frau Photoauge sagt bereits einiges über meine Motivation seinerzeit aus. Ich habe mich nicht etwa Wollmaus, oder Stricktante, oder Sockenfee genannt, weil diese Bereiche nicht meine Hauptmotivation für einen Blog waren. Als ich mich zum ersten Mal Frau Photoauge nannte, konnte ich noch nicht einmal stricken!
Was ich z.B. gar nicht hin bekomme sind Portraits von Menschen, Paar- oder gar Hochzeitsshootings. Das mag mit Sicherheit auch daran liegen dass ich Menschen im allgemeinen gerne gezielt aus dem Weg gehe. Denn Menschen empfinde ich oftmals einfach nur als anstrengend. Und gerade nach gewissen Ereignissen in den letzten Jahren lasse ich auch kaum noch Menschen näher an mich heran.
Bei einem Shooting jedoch muss ich aktiv auf mir völlig fremde Menschen zu gehen, und diese dann auch noch dazu bringen gewisse Körperhaltungen ein zu nehmen die sie in ihrem alltäglichen Leben unter Umständen niemals aktiv anwenden würden.
Es ist relativ einfach ein glückliches Kinderlächeln in einer für das Kind tollen Situation ein zu fangen. Ein Kinderlächeln ist echt und unverfälscht. Andere Menschen haben einfach ein angeborenes Talent dafür vor einer Kamera gut aus zu sehen, wie z.B. mein Teenager. Aber fragt euch doch mal warum es kaum ein Bild von meinem Gatten gibt. Oder von meinem kleinen Teenie, seit dieser ein Teenie ist. Und ganz klassisch, von mir selbst! Weil sich diese Menschen vor einer Kamera einfach nur unwohl fühlen. Inklusive mir selbst! An mir beißen sich sogar professionelle Fotografen regelmäßig die Zähne aus. Und selbst wenn ich es schaffe, solche Menschen durch zig gezielte Anweisungen dazu zu bringen eine hübsche Körperhaltung ein zu nehmen. Da ist immer noch ein Gesicht welches in den Bemühungen meine Anweisungen um zu setzen hochkonzentriert, aber selten entspannt aus der Wäsche guckt.
Menschen, egal ob Freunde oder nur Bekannte, die mich nach einem Shooting fragen haben gewisse Erwartungen. Sie sehen all die schönen und wirklich guten Shooting Bilder auf Facebook oder Instagram, und möchten auch genau solche Bilder. Ich jedoch kann diese Bilder einfach nicht liefern! Mir fehlt dafür zum einen das Wissen, zum anderen ein gewisses Talent, und nicht zuletzt auch das nötige Equipment.
Socken zu shooten ist relativ einfach.
Ich suche mir einen passenden Hintergrund, überlege zu welcher Tageszeit die Sonne am günstigsten steht, warte auf gutes Wetter, packe meine sieben Sachen zusammen, und lege einfach los. Socken sind geduldig, und haben keine übersteigerten Erwartungen. Außerdem verlieren die Sockefüße nie ihre Körperhaltung. Sie fallen höchstens mal um. Dann stelle ich sie einfach wieder hin, und mache weiter. Und weder Socken, noch Füße könnten irgendwie doof gucken.
Wenn mir die Bilder später am Laptop dann doch nicht gefallen, wandern die Socken einfach zurück in die Shootingkiste und ich versuche es anderwo noch einmal. Das passiert nicht oft, aber hin und wieder einmal. Socken sind dann weder enttäuscht, noch würden sie meckern oder mir deswegen gar Streß machen.
Mit Menschen verhält es sich leider etwas anders. Werden Erwartungen nicht erfüllt, folgen auf die Enttäuschung meist Frustration und Diskussionen. Welche sich natürlich am Fotografen entladen. Auf solch einen Ärger habe ich ehrlich keine Lust. Und schon alleine deshalb mache ich generell keine Hochzeits- Paar- oder auch Einzelshootings mit Menschen.
Ganz ganz häufig erlebe ich es leider auch, dass mein "Nein, mache ich nicht" zunächst nicht akzeptiert wird. Statt dessen wird leider versucht, mich zu überzeugen es vielleicht doch zu machen, und dann kommt fast immer mein persönliches Totschlag Argument ins Spiel. Denn ein professioneller Fotograf kostet ja Geld! Und das ist auch meist der Punkt, wo ich mich frage ob von mir erwartet wird dass ich meine Freizeit völlig umsonst zur Verfügung stelle.
Eigentlich alle Menschen, die nicht bereit sind den Preis für ein professionelles Shooting zu zahlen, erliegen dem Irrglauben Fotografie sei ja nur ein bisschen mit der Kamera herum spielen. Dass Fotografie aber weitaus mehr ist habe ich bereits in ⇨"Das bisschen Bloggen" erläutert.
Ein Shooting erfordert eine gewisse Vorbereitung, eventuell eine An- und Abreise, ein Höchstmaß an Konzentration, und letztlich mitunter noch stundenlanges Nachbearbeiten am PC.
Ferner hat ein selbständiger Fotograf nicht zu unterschätzende Kosten die er irgendwie erwirtschaften muss. Das Equipment allein kostet oftmals bereits mehrere Tausend Euro. Das Studio muss ebenso finanziert werden, wie gewisse Versicherungen. Nicht zuletzt natürlich auch die (private) Krankenversicherung. Oder Steuern. Wenn der Fotograf viel Glück hat, kann er sich vielleicht sogar noch um seine Altersvorsorge kümmern. Und seinen Lebensunterhalt muss der Fotograf von dem verbleibenden Gewinn auch noch bestreiten.
Wenn ich merke, dass auch diese Argumente auf keinerlei Verständnis bei meinem Gegenüber stoßen, lege ich den Leuten ganz offen und ehrlich nahe es einfach sein zu lassen. Mir fehlt die Geduld für Menschen, die zwar alles haben möchten, aber nicht bereit sind die zu erwartende Leistung angemessen zu würdigen oder gar zu bezahlen.
Ganz allgemein frage ich mich auch, warum ich überhaupt immer wieder auf solche Shootings angesprochen werde. Denn ich habe nie entsprechende Bilder davon in meinem Blog, auf Facebook oder Instagram veröffentlicht. Was bringt Menschen nur dazu, mich nach Shootings zu fragen, welche ich ganz offensichtlich noch nie gemacht habe? Man geht doch auch nicht zum Bäcker, um dort ein Steak zu kaufen. Verschont mich also bitte mit euren Anfragen für Personen oder gar Hochzeitsshootings!
Aber Fotografie scheint für viele Menschen wohl einfach nur noch "Bilder knispen" zu sein, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die vielen ganz unterschiedlichen Aspekte der Fotografie zu verschwenden.
Warum aber habe ich mich dann als Event Fotografin für das Wollfestival engagieren lassen?
Zunächst einmal hat mir die Veranstalterin eine gewisse Wertschätzung entgegen gebracht. Von der ersten Minute an wurde mir z.B. ein Honorar angeboten.
Außerdem hat die Veranstalterin genau gewusst was für Bilder ich mache, wo meine besonderen Stärken und mein spezielles Talent liegen, und wollte für ihr Wollfestival genau diese Fähigkeiten haben.
Ich hatte nur sehr wenige Bedingungen die umgesetzt werden mussten. So sollte ich z.B. mindestens einmal jeden Aussteller an seinem Stand fotografieren. Ansonsten hatte ich völlig freie Hand und konnte das fotografieren was ich besonders gut kann. Unendliche Perspektiven von Wolle, glückliche wollsüchtige Menschen, und jede Menge Augenblicke. Ich musste keine Erwartungen erfüllen, die ich nicht leisten kann.
Darüber hinaus hatte ich natürlich an beiden Tagen des Wollfestivals freien Eintritt, ich habe einen Presseausweis erhalten der es mir ermöglicht hat ohne große Erklärungen auf die Menschen zu gehen zu können, und ich darf alle entstandenen Bilder auch für mich selbst nutzen.
Ich habe aber auch durch ganz viel positives Feedback von dem Engagement profitieren können.
Als über Facebook und Instagram bekannt gegeben wurde, dass ich die offizielle Wollfestival Fotografin sein werde, war ich von den vielen positiven Reaktionen schier überwältigt. Da merkt man dann erst welch eine Bekanntheit und welch eine Reichweite man wirklich besitzt. In den darauf folgenden Tagen habe ich mich jeden Tag ein wenig mehr auf das Wollfestival gefreut, während ich mein Equipment vorbereitet und mir Mitfahrgelegenheiten organisiert habe.
Während des Wollfestivals wurde ich immer wieder gefragt ob es gut laufen würde, ob das Honorar wirklich angemessen wäre, und ganz allgemein wurde sich um mich bemüht und gesorgt. Darüber hinaus bin ich mit so vielen lieben und netten Menschen ins Gespräch gekommen, dass mir nur meine Bilder anschauen brauche um gleich wieder glücklich lächeln zu können. So macht ein Job dann auch Freunde!
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